Barcelona
Kürzlich am Knie operiert, genest man daheim so vor sich hin. An Krücken gebunden, schwelgt man schnell in Erinnerungen. Hach, was waren das für Zeiten, als man noch halbwegs beweglich durch Barcelona marschiert ist. Um den Erinnerungen etwas auf die Sprünge zu helfen, hilft es wohl, Erlebtes niederzuschreiben um sich gedanklich nochmals damit zu beschäftigen. Da es an Zeit nicht mangelt, meiner Homepage aber etwas an Inhalt, kam ich schnell auf die Idee hier etwas Blogging zu betreiben. Ihr werdet merken, dass da sicherlich die Übung fehlt; auch fehlen die entsprechenden Reportagefotos hier und da. Es wird in zukünftigen Artikeln aber sicherlich besser werden.
Es beginnt alles mit einer Idee. Immer. So auch unser Kurztrip nach Barcelona. Eigentlich sollte es auch ganz woanders hingehen, nach London nämlich. Waren wir dort doch schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Aus Ermangelung an zusammenhängenden arbeitsfreien Tagen, im Volksmund Urlaub genannt, sollte es in einer Freischicht an die Themse gehen. Schnell noch den Wetterbericht gecheckt: Regen, Regen, Regen, bewölkt, und Regen. Planänderung. Ab nach Spanien.
Der Flug nach Barcelona war reibungslos, wir sind bei sonnigen 25 Grad auf dem Flughafen El-Prat gelandet. So ziemlich am letzten Gate rausgelassen, hat sich der langgezogene Flughafen erstmal so richtig schön vor uns aufgebaut.
Ungewöhnlich für uns, haben wir uns vor der Reise so gut wie gar nicht über Barcelona informiert. Das war einerseits schlecht, genauer gesagt teuer, andererseits aber auch erfrischend gut. Der Sieg mag die Vorbereitung zwar lieben, die Spontanität hatte diesmal aber die Oberhand.
Was wir wussten: Nimm den Aerobus vom Flughafen in die Stadt. Und genau das können wir nur empfehlen. Die Bustickets lassen sich online buchen (25 Euro für 2 Personen, Hin- und Rückfahrt, 90 Tage gültig). Die Beschilderung und die Organisation am Flughafen funktionieren reibungslos. Die Busse fahren gefühlt alle 10 Minuten und brauchen ca. 45 Minuten bis zu ihrer Endstation: dem Plaça de Catalunya.
Das Herzstück der Stadt Barcelona, das „Bindeglied zwischen Altstadt und Neustadt“ (Wikipedia), lag vor uns. Gesehen haben wir trotzdem nicht viel. Der ganze Platz war umzäunt und beschildert mit „F1 Barcelona Fan Festival“. Super. Da haben wir alten Formel-1-Experten ausgerechnet die Vorbereitungswoche auf den Großen Preis von Spanien erwischt. Der bestimmt schön anzusehende Platz war zugestellt mit Formel-1-Merch. Sei es drum. Unser gebuchtes Hotel liegt nur ein paar Schritte von der Bushaltestelle entfernt: Eingecheckt und gleich nochmal raus in das mittlerweile nächtliche Barcelona.
Dieser erste Moment, als wir in die Nacht von Barcelona eingetaucht sind, wird unvergesslich bleiben. Die Temperaturen waren mittlerweile etwas gefallen, und eine wunderbare Sommernacht in der katalanischen Hauptstadt war angebrochen. Ohne Gepäck und schweres Fotogerät sind wir in die Stadt geschlendert. Dabei haben wir die gleiche Strategie gewählt wie schon anno dazumal bei unserem ersten Mal in London: einfach von einer Straße anziehen lassen, hier und da abbiegen und dem Bauchgefühl folgen.
Was uns sofort in den Bann gezogen hat, war die Mischung aus südeuropäischer Unbeschwertheit, einem lässigen Treiben in den Gassen und einer gewissen touristischen Neugier. Überall waren Menschen aller Nationen zu sehen und zu hören, es roch aus den Restaurants nach allen möglichen Leckereien. Die Gassen in Barcelona sind unglaublich – überall gibt es etwas zu schauen, zu bestaunen und zu erkunden. Wir haben uns nur zufällig an die Catedral de Barcelona treiben lassen. Hier war trotz der späten Stunde noch einiges los, und wir haben uns erst einmal niedergelassen und alles auf uns wirken lassen. Straßenmusiker waren zu hören, einige wenige fliegende Händler versuchten, einen schnellen Euro mit Ramschverkäufen zu machen, und überall waren gut gelaunte Menschen um uns herum. Der erste Abend war gelungen.
Am nächsten Tag hat uns der Rummel der Stadt dann aber voll erwischt. Wieder zu Fuß sind wir Richtung Nordwesten aufgebrochen. Der grobe Plan war dabei, über die Passeig de Gràcia kommend das Casa Batlló anzuschauen und weiter in Richtung Norden zum Park Güell zu marschieren. Bei ordentlichen Temperaturen knapp unter 30 Grad war das eine schweißtreibende Angelegenheit.
welche Kamera war dabei?
Für die Fotoenthusiasten unter uns: Meine Nikon Z6 II hatte ich zu dem Zeitpunkt verliehen, also bediente ich mich wieder meiner Z9. Während diese in dem fotografiebegeisterten Belfast überhaupt kein Problem war, musste ich in Barcelona die Augen offen halten und meine Kamera eng bei mir tragen. Leider ist Barcelona in der Hinsicht kein Vergleich zur nordirischen Hauptstadt. Taschendiebstähle sind in der katalanischen Metropole leider an der Tagesordnung. Um nicht noch mehr aufzufallen, soweit man das mit einer Z9 überhaupt behaupten kann, hatte ich lediglich das Nikkor 40mm F2 aufgeflanscht, das Nikkor 14-30mm F4 war in der Tasche. Um es vorwegzunehmen: Es war zu jeder Zeit ein unangenehmes Gefühl, mit der Kamera zu fotografieren. In Belfast hatte ich den ein oder anderen Smalltalk mit Leuten um mich herum. Einer wollte eine Kameraempfehlung, andere wiederum zeigten mir bessere Winkel und Spots. In Spanien hingegen hatte ich nie wirklich Ruhe; ich habe mir schnell eine kompaktere Kamera gewünscht. Im Laufe des Tages blieb die Kamera auch einfach oft in der Tasche, und am nächsten Tag war sie schon gar nicht mehr dabei. Das iPhone musste herhalten. Spätestens jetzt war mir der Hype um diese kompakten APS-C-Kameras wie die Ricoh GR III oder eine Fujifilm X100V/VI gar nicht mehr so realitätsfern.
Am Casa Batlló angekommen, haben uns die Menschenmengen noch nicht sonderlich gestört, da wir das Ganze doch nur mal von außen anschauen wollten. Den Park Güell allerdings hätten wir schon gerne besucht, aber hier war der Ticketverkauf aufgrund der Touristenströme schon eingestellt worden. Zugang gab es nur noch mit im Voraus gebuchten Tickets. Also: Schulter gezuckt, umgedreht, Berg wieder runter. Diesmal in Richtung Südosten zur Sagrada Família. Die imposante Kathedrale, die mittlerweile über 140 Jahre Bauzeit aufzuweisen hat, wird doch wohl zu bestaunen sein? Von außen ja, von innen Fehlanzeige. Wer hier rein will, sollte Wochen(!) vorher seine Tickets buchen. Wir waren dann Eis essen, am Fuße des 138 m hohen Meisterwerks von Baumeister Antoni Gaudí. Auch schön.
La Rambla, Einmal Abzocken bitte.
La Rambla – die berühmteste Promenade Barcelonas, die vom Plaça de Catalunya in Richtung Meer verläuft, ist ein mehrfaches Highlight. Mit über einem Kilometer Länge ist sie von vorne bis hinten vollgestopft mit Ramschläden, Restaurants, Touristen und viel Geld. Geld, das man sich schnell aus der Tasche ziehen lassen kann. Staunen wird man trotzdem. Während in Barcelona grundsätzlich schon sehr viele Leute auf den Straßen unterwegs sind, sind es auf La Rambla noch deutlich mehr. Tausende Menschen schieben sich schwitzend die Straße rauf und runter, dicht aneinander gedrängt, viele davon aber einfach nur gut gelaunt. Eine Stimmung, von der man sich nur zu gerne anstecken lässt. Die Restaurants, die in den Gebäuden links und rechts untergebracht sind, bieten einen besonderen Service an: Um sich nicht in die stickigen und dunklen Räumlichkeiten zum Essen verkriechen zu müssen, kann man direkt auf La Rambla essen. Teils liebevoll hergerichtete Außenbereiche laden zum gemütlichen Essen ein. Das Orange der vielen Aperol-Getränke schimmert überall durch. Wie kann man da widerstehen? Auch wir sind hier essen gegangen. Und hier sind wir, getreu dem Motto „lass uns mal nicht alles auf TripAdvisor vorher lesen“, richtig gut abgezockt worden. Das Grundprinzip der Restaurants ist hier fast überall gleich. Die Preise werden offensichtlich mit einem Dungeons-&-Dragons-Würfel in Kombination mit dem Sonnenstand sorgfältig, aber willkürlich festgelegt. Viel zu teuer, plus Gebühr fürs Draußensitzen, hihi, plus 20 Prozent Trinkgeld, die auf der Rechnung freundlicherweise schon inkludiert sind. Wir haben dann insgesamt 80 Euro für das Abendessen gelassen, welches aber, so viel Fairness muss sein, nicht schlecht war. Immerhin. Wir würden das nächste Mal aber einen weiten Bogen um die Restaurants machen und können das auch jedem nur empfehlen: Finger weg!
TripAdvisor hat ab diesem Moment wieder die Restaurantempfehlung übernommen, und wir wurden auch nicht mehr enttäuscht.
La Barceloneta
Der Folgetag, völlig kamerabefreit, führte uns in Richtung Mittelmeer. Natürlich, wieder zu Fuß, ging es zunächst zum Hafen. Hier gibt es nicht sonderlich viel zu bestaunen. Die Touristenströme reißen hier zwar etwas ab, trotzdem gibt es noch reichlich davon. Angrenzend an den Hafen liegt La Barceloneta, ein Stadtviertel auf einer Art Halbinsel. Hier sind die Häuser in einem deutlich schlechteren Zustand, es wirkt etwas schmuddeliger, aber auf jeden Fall sehenswert. Und dann wäre da natürlich noch der Strand von Barcelona. Mag jetzt etwas überheblich klingen, aber dieser Strand ist nichts Besonderes. Vielleicht wäre er es, wenn er nicht so gnadenlos mit Menschen vollgestopft wäre. Wem sowas gefällt, der sollte hier im Besonderen auf seine Wertsachen aufpassen. Die Restaurants und Bars, die hier direkt angesiedelt sind, haben wir, wie auch den Strand, schnell links liegen gelassen.
Parc de la ciutadella
Nach dem Ausflug zum Meer sind wir wieder zurück in die Stadt, am Parc del Port Olímpic vorbei, in Richtung Norden gegangen, um erstmal essen zu gehen. Und im Vergleich zu La Rambla war das diesmal ein Volltreffer. TripAdvisor, freilich. Das Café Menssana liegt in der Nähe des Parc de la Ciutadella und wartet mit sehr leckerem Essen, superfreundlichem Personal und vor allem fairen Preisen auf Kundschaft. Selbstverständlich war hier einiges los, von Austauschstudenten bis hin zu zukünftigen Filmstars war hier alles vertreten. Das Ambiente ist gut, ist es doch ein eher ruhiges Viertel. Keine Hektik, kein großartiger Verkehr. Hier lässt es sich aushalten. Wir sind nach dem Essen durch den Parc de la Ciutadella geschlendert. Auch hier wurden wir positiv überrascht. Großflächig angelegt, lädt er zum Verweilen ein. Und zum Shooten – nur mal so, falls man eine Kamera dabei hat.
Vom Park ist es nur ein Katzensprung zum Arc de Triomf, dem Triumphbogen. Hier hatte uns auch der heitere Trubel wieder etwas eingeholt. Eine Coke und ein Eis von einem der überall in der Stadt gut verteilten Verkaufsstände haben uns aber in aller Gemütlichkeit die Straße zu dem Denkmal bewältigen lassen. Von dort aus ging es wieder zurück zum Hotel, wieder durch die unendlich erscheinenden Gassen.
Formel 1 Fan-Fest
Das Formel-1-Fanfest, das unmittelbar vor unserer Hoteltür stattfand, steuerte am letzten vollen Tag unserer Reise seinem Höhepunkt entgegen. Die Straßen wurden abgesperrt, Formel-1-Boliden wurden angekarrt und am späten Nachmittag sind drei von diesen die Passeig de Gràcia rauf und runter gebrettert, als würde das Verbrennerverbot direkt am nächsten Tag in Kraft treten. Okay, war schön anzusehen. Hätten wir nicht vom Balkon aus das Ganze betrachten können, hätten wir es aber einfach ignoriert. Sorry an alle treuen Formel-1-Fans! Wir wussten nicht mal, wer die Fahrer waren. :)
Wir haben an diesem Tag noch einen Abstecher in Richtung der venezianischen Türme gemacht und waren hier und da etwas shoppen. Unter anderem in Las Arenas, einer ehemaligen Stierkampfarena. Für alle, die die Aussicht von oben genießen wollen: Der Außenfahrstuhl kostet 2 Euro pro Person. Die Rolltreppe im Inneren der Mall kostet nichts. Nur mal so.
wo ist mein Koffer?
Am Abreisetag hat dann etwas Wehmut mitgeschwungen. Einerseits war die Zeit viel zu kurz; ist es doch fast unmöglich, sich alle Sehenswürdigkeiten dieser Stadt anzuschauen, ohne dabei in deutsche Hektik zu verfallen. Dass wir in die Sehenswürdigkeiten, wie die Sagrada Família, nicht rein konnten… Schwamm drüber. Waren wir eh noch nie Freunde von diesen „Pflicht-Sightseeing-Touren“. Durch die Fußmärsche sieht man sowieso deutlich mehr, man schaut doch mal hier und da in die kleinen Gassen, geht in eines dieser unzähligen kleinen Geschäfte, atmet die Luft der Stadt. Viele nehmen die Abkürzung mit dem Taxi. Aber der Großteil der Stadt ist einfach nur in Quadrate unterteilt (einfach mal bei Google Maps anschauen), so sieht eine Kreuzung aus wie die andere. Hat man mal 243 davon überquert, fühlt sich das dann doch anders an. Aber natürlich geht da einiges an Zeit verloren, wobei „verloren“ das falsche Wort ist. Wir hätten einfach noch ein paar Tage mehr gebraucht.
Was natürlich noch wehgetan hat, war die Abstinenz einer Kamera ab Tag 2. Wie sehr dieses Erlebnis mich für die kommenden Tage beschäftigen würde, hatte ich damals noch nicht auf dem Schirm. Aber es folgte der ultimative Drang, eine kompakte Kamera anzuschaffen und sich vor allem mehr mit der (unauffälligen) Street Photography zu beschäftigen.
Die Rückreise zum Flughafen mit dem Bus war genauso problemlos wie die Anreise. Das läuft einfach top! Was dagegen nicht top gelaufen ist, war das Verladen meines Koffers. Der ist kurzerhand in Barcelona geblieben und hat noch ein paar Tage hingehangen. Es war ihm gegönnt. So hat es uns jetzt auch das erste Mal erwischt bei der Kofferrückgabe. Meine neu erstandenen Dr. Martens-Stiefel waren nach knapp einer Woche in dem stickigen Koffer aber deutlich angenehmer und weicher. Vielleicht lasse ich mir die „Behandlung“ derartiger Stiefel patentieren. Und wo sind eigentlich meine AirTags, wenn man sie mal braucht?
Adiós Barcelona, volveremos si podemos!